Zeitzeugen sind die besten Geschichtslehrer!

Am vergangenen Freitag, dem 30. November 2018, hatte unser Gymnasium Himmelsthür einen prominenten Gast: Sally Perel, der Autor des Buches „Ich war Hitlerjunge Salomon“ und Überlebender des Holocaust war zu Besuch und schilderte aus seinem bewegten und bewegendem Leben.

Perel wurde 1925 im nahegelegenen Peine geboren und verbrachte eine glückliche Kindheit in dieser Stadt, bevor er die Auswirkung der nationalsozialistischen Machtergreifung, den Überfall der Wehrmacht auf die Sowjetunion und Hitlers Vernichtungswerk gegen die Juden auf grausame Weise zu spüren bekam. Denn mit der Machtergreifung der NSDAP ab 1933 begann die staatliche Diskriminierung der Juden in Deutschland. Nachdem ihr Schuhgeschäft in Peine von den Nazis verwüstet und Sally aufgrund der Nürnberger Rassegesetze 1935 der Schule verwiesen worden war, zog die Familie Perel 1935/36 nach Łódź in Polen.

Nach dem Beginn des Zweiten Weltkriegs und dem deutschen Überfall auf Polen im Jahre 1939 und der darauf folgenden Aufteilung Polens zwischen Deutschland und der UdSSR floh Sally Perel in den nun sowjetischen, östlichen Teil Polens.

Der Einmarsch Hitlers in die Sowjetunion im Juni 1941 markierte einen weiteren und entscheidenden Wendepunkt im Leben unseres Gastes. Denn während des Vernichtungskrieges gegen die Sowjetunion wurde Perel von der Wehrmacht gefangen genommen. Da er perfekt deutsch sprach, konnte er sich als "Volksdeutscher" ausgeben und seine jüdische Herkunft geheim halten. Er entging so den Massenerschießungen, die von Sonderkommandos der SS hinter der Front an Juden verübt wurden. Sally fungierte in der Folge als deutsch-russischer Übersetzer für die Wehrmacht. Er nannte sich Josef Perjell; sein Spitzname unter den Soldaten war Jupp.

Nachdem er ein Jahr an der Front gegen die Sowjetunion gekämpft hatte, wurde er zurück nach Deutschland geholt. Ein Hauptmann der Wehrmacht wollte ihn adoptieren und sorgte dafür, dass Sally Perel bis kurz vor Kriegsende auf die Akademie für Jugendführung der Hitlerjugend in Braunschweig ging. An der HJ-Schule identifizierte ihn ein Lehrer der Rassenkunde als Angehörigen der „Baltisch/Arischen Rasse“, nicht als Juden. Perel musste ständig seine Beschneidung verbergen und stets einen kühlen Kopf bewahren, um schnell auf unübliche Anfragen reagieren zu können und eine Entdeckung zu vermeiden.

Nach dem Ende des Krieges emigrierte Perel nach Israel, wo er den neuen Staat mit aufbauen wollte.

Über all dies berichtete Perel, wobei er den Schülerinnen und Schülern durch seine persönliche und authentische Erzählung mehr Eindrücke vermitteln konnte, als dies ohne Weiteres nur aus der Lektüre seines Buches zu gewinnen gewesen wäre. Vor allem durch die plastischen Schilderungen der Erlebnisse, aber auch durch die immer wieder auf die heutige Zeit und ihre Herausforderungen abzielenden Bezüge zum Erstarken der Rechten in Deutschland und Europa und dem Wiederaufkommen einer lange Zeit für überkommen geglaubten gefährlichen Geisteshaltung vermochte der 93-jährige Perel die Schülerinnen und Schüler zu fesseln. Dies lag sowohl an seiner faszinierenden Vita, zugleich aber auch an seinem scharfen Geist, der während seiner Gespräche mit den Schülerinnen und Schülern immer wieder zum Vorschein trat. So war die abschließende Frage- und Diskussionsrunde eine gute Gelegenheit, dem Gast um persönliche Einschätzungen zu bitten, die sich sowohl auf die Erlebnisse der Zeit zwischen 1933 und 1945 bezogen, aber auch seine Haltung zu Gott im Angesicht von Auschwitz sowie seine heutigen Positionierung zur Jugend und ihrer Verantwortung umfassten.

Gerade die Verbindung zwischen dem authentischen und ergreifenden Bericht des Zeitzeugen, dem Appell an die Jugend in Hinblick auf die Relevanz des Themas des Rechtsextremismus in der heutigen Zeit und einer spannenden, aber zugleich nachdenklich stimmenden Vortragsweise führte zu dem klaren Fazit:

So spannend wie dieser Besuch kann kein herkömmlicher Geschichtsunterricht jemals sein!

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© Text: A. Nuss, Fotos; H. Junker