Prof. Dr. Wolfgang Reinbold am GymHim

Vortrag islamDeutschland und die hier lebenden Muslime - zu diesem aktuellen und umstrittenen Thema hatte das Gymnasium Himmelsthür Prof. Dr. Wolfgang Reinbold eingeladen. Und der Theologieprofessor aus Göttingen und Beauftragte der Evangelisch - lutherischen Landeskirche Hannovers für Kirche und Islam eröffnete seinen Vortrag vor den Schülerinnen und Schülern des 11. und 12. Jahrgangs auch gleich mit einem provozierenden Wortspiel „Der Islam gehört zu Deutschland schafft sich ab“, mit dem er die beiden Pole der Diskussion umriss: Auf der einen Seite die Menschen, für die gemäß dem berühmten Zitat von Christian Wulff Deutschsein nicht auf eine Familiengeschichte oder einen bestimmten kulturellen Hintergrund verengt werden könne – auf der anderen Seite diejenigen, für die ein friedlicher Islam ein Wunschdenken sei und die meinten, ihre Befürchtungen seien spätestens seit der Silvesternacht in Köln zur Realität geworden. Reinbold führte aus, dass dieses Bild eines bedrohlichen Islams vor allem vom Internetauftritt des sogenannten „Islamischen Staates“ und salafistischer Gruppen genährt wird, deren Ziel es ist, europäische Jugendliche zum Kampf in Syrien und dem Irak zu verführen. „Den Islamischen Staat gäbe es ohne das Internet nicht“, so Reinbold, und er warnte seine Zuhörer: „Diese Propaganda richtet sich an Sie!“ Doch die radikale Interpretation des Islams durch die vielleicht 400 gewaltbereiten Salafisten in Niedersachsen habe mit dem Glauben der Mehrheit der ca. 250000 Muslime in unserem Bundesland nichts zu tun. So bekenne sich die „SCHURA“, der „Landesverband der Muslime in Niedersachsen e.V.“ zum Grundgesetz sowie zu dem von ihm verbrieften Recht auf Religions – und Glaubensfreiheit. Reinbold zitierte aus der Satzung der SCHURA: „Nach den Grundsätzen des Islams missbilligt die SCHURA Niedersachsen jede Diskriminierung der Menschen aufgrund Rasse, Geschlecht, Hautfarbe, Sprache oder Religion. Das Recht auf Glaubens- und Meinungsfreiheit gehört zu den Prinzipien des Islams: kein Zwang in der Religion.“ Auch lehne die SCHURA Niedersachsen jede Form der Gewaltanwendung als Mittel der religiösen oder politischen Auseinandersetzung ab. Folglich hätten die muslimischen Verbände in Niedersachsen gemeinsam mit den christlichen Kirchen den Anschlag auf „Charlie Hebdo“ im Januar 2015 und die Terrornacht von Paris im November verurteilt. Der Göttinger Theologe wies darauf hin, dass der Islam über viele Jahrhunderte eine Religion gewesen sei, die für verschiedene Interpretationen des Korans offen gewesen sei. Erst unter dem Eindruck des europäischen Kolonialismus im 19. Jahrhundert hätten viele Muslime die Notwendigkeit gesehen, sich über eine radikale Interpretation des Korans zu definieren. Welchen Beitrag zur Kultur Europas der Islam geleistet habe, erläuterte Reinbold mit Hilfe einer Reihe von Fachbegriffen der Mathematik und Chemie wie Algorithmus oder Algebra, die aus dem Arabischen stammen.

16 Vortrag islam2Für die Muslime in Deutschland sei nun die entscheidende Frage: „Wann wird mich dieses Land endlich als selbstverständlichen Teil von sich akzeptieren?“ Reinbold verwies in diesem Zusammenhang darauf, dass Bundespräsident Gauck anlässlich einer Einbürgerungsfeier 2014 das neue deutsche „Wir“ als die „Einheit der Verschiedenen“ beschrieben hat, die sich zum Grundgesetz und seinen Werten bekennen. Für diese „Einheit in Vielfalt“ gab er den Schülern und Schülerinnen am Ende seines Vortrags anschauliche Beispiele wie den Verein „Deutscher Soldat e.V.“, in dem sich Offiziersanwärter und Offiziere der Bundeswehr mit und ohne Migrationshintergrund zusammengeschlossen haben und die deutschen Fußballweltmeister des Jahres 2014. Der Vortrag schloss damit, dass der Referent eindringlich für ein Verständnis des Deutschseins eintrat, das sich nicht mehr auf Herkunft und Blut beziehe, sondern auf die gemeinsame Identifikation mit den Werten des Grundgesetzes.